Stoffliche Abhängigkeiten durch optimalen Entzug loswerden

Wieso kommt es zu Entzugserscheinungen?

Oft verwechselt wird, dass die Abhängigkeit nicht auf dem eigentlichen Wirkstoff beruht, sondern aufgrund sehr starker Entzugserscheinungen. So stellt jeder Abhängige irgendwann fest: Wenn ich meinen Stoff nicht nehme, dann passiert etwas Schlimmes. Diese Erfahrungen sind so intensiv, dass sie sich absolut an die Spitze aller Aufmerksamkeit des Abhängigen fest „einbrennen“. In einer Situation, die schon stark geprägt ist von unerwünschten Nebenwirkungen der Sucht, kommen schon durch kleine Unregelmäßigkeiten der Einnahme noch stärkere Entzugserscheinungen hinzu. Der Süchtige lernt ultimativ, dass er seinen Stoff braucht und ist kaum in der Lage etwas anderes zu tun, als seinen Stoff zu beschaffen und einzunehmen. Daher gelingt es oft nicht, sich aus der Abhängigkeit zu lösen. Bei Beruhigungsmitteln eine oft tödliche Entwicklung, die überwunden werden könnte. Ein tückisches Phänomen ist die Tendenz, Medikamente bei Entzugserscheinungen zu verschreiben und solche Entzugserscheinungen unter therapeutischer Dosierung bei eigenen Patienten nicht zu erkennen und es zu versäumen, einen Entzug zu verordnen. Da verwischen ganz schnell die Symptome der ursprünglichen Erkrankung mit den unerwünschten Nebenwirkungen der Medikamente. In dieser Schwächephase muss man sich eine Menge Unsinn auch aus berufenem Munde anhören. Die eigentliche Erkrankung wird unnötig aufgebläht und man wird als „Psycho“ abgestempelt.

Entzugserscheinungen treten auf, wenn die körperliche Gewöhnung groß genug ist. Jetzt kann der Körper nicht mehr so leicht auf den in die körperlichen Nachrichtenprozesse eingebunden Stoff verzichten. Eine Umstellung braucht Zeit, da sich die körperliche Nachrichtensprache geändert hat. Der Stoff ist für die Kommunikation unentbehrlich geworden. Beim Verlust des gewohnten Stoffes sind Nervenzellen am „Ausflippen“ und man weiß noch nicht warum. Meine Theorie ist, dass die Zellen sich auf neue Rezeptoren ausrichten und die beschädigten alten abschalten. Auch scheint es sich um einen entzündlichen Prozess zu handeln. Dabei sind immer wieder unterschiedliche Nerven davon betroffen. Vielleicht handelt es sich bei diesen aseptischen (ohne bakterielle Infektion) Entzündungen um einen Genesungsprozess. Dieser Prozess führt zeitweilig zu einer Orientierungslosigkeit, die die Zelle aus dem Rhythmus des körperlichen Orchesters bringt. Der zeitweilige Verlust der Steuerungsfähigkeit von Teilen der nervlichen Netzwerksysteme wirkt sich für den Betroffenen quälend auf sein Leben aus, da die Systeme lange brauchen, um sich wieder zu kalibrieren und richtig zu vernetzen. Diese Fehlvernetzung verfälscht die Empfindung der Gefühle. Um diese Aktivitäten des Körpers zur Genesung führt kein Weg herum. Ähnliche Reaktionen verursacht auch Migräne, die oft eine Entzugserscheinung ist. Die beste Möglichkeit in die Beschwerdefreiheit ist ein moderater Entzug und eine Förderung der Neuverschaltung der Nerven. Die hier vorgestellten Methoden sind eine Sammlung von Erfahrungen, die Betroffene mit dem Phänomen gemacht haben. Viele Tipps sind im Einzelfall sehr hilfreich, andere nicht. Die Vielzahl an Methoden soll anregen, sich selbst Passendes zusammenzustellen. Von Zeit zu Zeit wechselt auch das Ansprechverhalten des Körpers, was einerseits Bewährtes unverträglich werden lässt, andererseits anderes plötzlich hilfreich macht. Es ist manchmal sehr unheimlich und bizarr.  Allen Schwierigkeiten zum Trotz ist zwischendurch immer wieder ein völlig normales Funktionieren zu beobachten – sicheres Zeichen, dass nicht viel beschädigt, sondern nur in der normalen Funktion gestört ist.

Dies alles ist völlig harmlos und vergeht nahezu komplett.

Jeder Mensch erlebt Abhängigkeit, Sucht und Entzug anders. Trotzdem lohnt es sich, systematisch vorzugehen und Fehler zu vermeiden. Dieser Blog gibt auch Werkzeuge an die Hand, die im Bedarfsfall herausgeholt werden können, um mit akuten Erscheinungen allein fertig zu werden.

Wann spricht man von Sucht?

Leben ist, was einem begegnet, während man auf die Erfüllung seiner Träume wartet.

Sucht ist ein kompliziertes Geschehen, an dem zahlreiche Faktoren beteiligt sind. Sucht entwickelt sich aus gewohnheitsmäßigem Verhalten zur Schaffung angenehmer Bewusstseinszustände. Sucht wird verstanden, als das zwanghafte Verlangen nach bestimmten Stoffen oder Verhaltensweisen, die Missempfindungen vorübergehend lindern und erwünschte Empfindungen auslösen. Die Substanzen oder Verhaltensweisen werden konsumiert bzw. beibehalten, obwohl negative Konsequenzen für die betroffene Person und für andere damit verbunden sind. Sowohl der Konsum von psychoaktiven Substanzen wie Alkohol, Tabak, Medikamenten und Drogen, als auch Verhaltensweisen wie Glücksspiel, Essen, Arbeiten, Internet etc. können zwanghafte Züge annehmen, die Suchtcharakter haben. Die gesamte Ursachenkette Sucht-Abhängigkeit-Stoff liegt noch weitgehend im Dunkel. Zum einen sind die Unterschiede von Mensch zu Mensch sehr groß, und zum anderen sind die beteiligten Stoffe und Ursprungserkrankungen oft unklar. Es ist unklar, ob der Stoff den Süchtigen schafft oder umgekehrt. Die Suchtpersönlichkeit entsteht aus der tückischen Wechselwirkung mit dem Stoff. Sucht ist immer auch die Steigerung der Abhängigkeit zum Verlangen, die kristalline Prägung der Abhängigkeit in die Persönlichkeit.

„Sucht ist ein unabweisbares Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand. Diesem Verlangen werden die Kräfte des Verstandes untergeordnet. Es beeinträchtigt die freie Entfaltung einer Persönlichkeit und zerstört die sozialen Bindungen und die sozialen Chancen des Individuums“ (K. Wanke , in: Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (Hrsg.). Süchtiges Verhalten, 1985, S. 20)

Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gilt jede Substanz als Droge, die in einem lebenden Organismus Funktionen verändern kann. Dieser erweiterte Drogenbegriff erfasst nicht nur Cannabisprodukte, Halluzinogene, Stimulantien, Schnüffelstoffe, Schlaf- und Beruhigungsmittel, Alkohol, Tabakerzeugnisse, Schmerzmittel, Opiate und Kokain. Er bezieht sich auch auf Alltagsdrogen wie z.B. Kaffee und Tee und grenzt Drogen einerseits sowie Genuss- und „Lebens“mittel andererseits nicht mehr trennscharf voneinander ab (s. Landesinstitut für Schule und Weiterbildung (Hrsg.): Sucht- und Drogenvorbeugung in der Schule, Baustein 1: Konzeption zur Suchtvorbeugung in der Schule, Soest,. 1988, S. 14).

Das Erstaunliche am Phänomen Sucht ist, dass es so viele Betroffene gibt, aber das Thema praktisch ausschließlich den Psychologen überlassen wird. Zitat von einem Psychiater: „Im Kern steckt immer Ihr Glaube, dass Sie abhängig sind.“ Dahinter steckt die Erkenntnis, dass am Beginn die Überzeugung stand, das das wovon ich jetzt abhängig bin, mir nützt, mir einen Kick oder Hilfe gibt. Dieser kleine Keil ist es, welcher auf Dauer oder durch potente Mittel sehr schnell, in schwere Sucht führen kann. Durch Beruhigungsmittel werden sehr starke körperliche Abhängigkeiten verursacht, die nicht mehr auf dem Wunsch nach Wirkung, sondern ausbleiben von Entzugssymptomen beruhen und noch jahrelang nachwirken können. Schon nach einmaliger Einnahme, kann sich die Reaktion auf den Stoff verändern. Die Gewöhnung setzt schon nach einmaliger Einnahme ein und betrifft das Rezeptorsystem in den 100 Millionen bis 1 Billion Nervenzellen des menschlichen Nervensystems. Hier kommt es zu einer wieder umkehrbaren, aber tiefgreifenden Änderung von Prozessen und Strukturen. Bei Alkohol und harten Drogen sind die Schäden oft nicht ganz umkehrbar. Allerdings hat das Nervensystem viele Möglichkeiten der Erneuerung, so das es gute Hoffnung auch bei schweren Fällen gibt.

Dabei reagiert gerade bei psychisch wirkenden Stoffen jeder Mensch anders. Die Forschung vermutet auch einen großen Unterschied in der Wirkung auf Männer und Frauen. Bisher wurde dieser Aspekt nicht ausreichend gewürdigt, so wurden viele Psychodrogen ausschließlich an Männern getestet. Aufgrund der Unterschiedlichkeit emotionaler Prozesse bei Mann und Frau ist es nicht verwunderlich, dass Frauen (80%) häufiger von Psychodrogen abhängig sind als Männer.

Erstaunlicherweise kann das Suchtmittel leicht wechseln. „Eine Sucht geht, die Andere kommt.“ Das Mittel wird in den körperlichen Kommunikationsprozess eingebunden und macht sich unentbehrlich. Von diesem Phänomen sind -aus unbekannter Ursache- nicht alle Menschen gleichermaßen betroffen. Einige werden leichter abhängig und kommen auch schwerer aus der Abhängigkeit heraus. Ohne komplette Abstinenz, können an den betroffenen Nerven keine Reparaturen abgeschlossen werden, das Leiden bleibt. Es kommt zu Veränderungen des Hirnstoffwechsel und der neuronalen Vernetzung. Dabei ist die Neuroplatizität stark eingeschränkt. Fatal, da dringend benötigte Reparaturen quasi aufgrund von Verletzung der Instanzen dafür, nur stark verzögert ausgeführt werden können.

Literatur zum Thema Sucht setzt sich mit den Ursachen auseinander, die körperliche Erkrankung Abhängigkeit, bleibt weitgehend unbeachtet. Die klassische Fehlmeinung ist: Der Abhängige erlebt durch seinen Stoff eine Ausschüttung von Glückshormonen, die er ohne Stoff nicht mehr erleben kann, daher ist er süchtig nach dem Stoff. Das ist der falsche Schluss, der den Stoff verharmlost und das Problem einer von Glücksgefühlen abhängigen Psyche zuschreibt. Leider ist es für den Betroffenen viel schlimmer und problematischer, als nur der Verzicht auf Glückhormonausschüttung.

Alle menschlichen Interessen bergen das Potenzial zur Übertreibung und Abhängigkeit. Es gibt dabei stoffgebundene Abhängigkeiten und nicht stoffgebundene Abhängigkeiten. In der ersten Gruppe sind Rauschgifte und Beruhigungsmittel zu nennen und in der zweiten Gruppe sind es Spielsucht, Kaufsucht, Internetsucht, Sexsucht und viele andere. Über viele Wortschöpfungen findet man Zugang zum Süchtigen in uns allen: Mondsucht, Eifersucht, Fettsucht, Trunksucht, Naschsucht .

Wenn die Sucht aufgrund persönlicher Entwicklungsmöglichkeiten besteht, greift das psychologische Erklärungsmodell. Denn es ist unklar, ob der Stoff den Süchtigen schafft oder umgekehrt. Die Suchtpersönlichkeit entsteht aus der tückischen Wechselwirkung mit dem Stoff. Meiner Erfahrung nach wird die psychologische Ursachensuche übertrieben und kann auch kontraproduktiv wirken. Wenn man mit schwierigsten Entzugserscheinungen zu kämpfen hat und der Therapeut die Frage nach den Plänen zur langfristigen Zukunft stellt, dann kann das den Patienten im besten Fall stark überfordern. Im akuten Entzug von Benzodiazepinen ist überhaupt keine Therapie möglich. Therapie eignet sich dann allenfalls als Strukturierungsangebot, wie es in Entzugskliniken auch gehandhabt wird.

Von medizinischer Seite wird der psychologische Anteil gerne überbetont, weil der übliche Mangel an Selbstkritik diesen nicht erwünschten, aber gerade durch die Medizin verursachten Effekt ignoriert. Wieviele Menschen nehmen dauerhaft Medikamente ein, die sie nicht brauchen, von denen sie aber nicht loskommen? Die Pharmaindustrie und auch die Ernährungsindustrie hat kein Interesse Abhängigkeiten zu verhindern. So wie ein Wirkstoff in bestimmter Dosierung pharmakologische Wirkung induziert, so muss diese Wirkung oft langsam reduziert werden, um dem Körper die Möglichkeit zur Anpassung und Umstellung zu geben. Oft sind Tabletten nicht einmal teilbar. Beim Hantieren mit Dosierungen unterhalb der empfohlenen Dosierung ist der Betroffene auf sein eigenes Geschick angewiesen. Teilungshilfen sind erhältlich, aber unzweckmäßig. Das Arzneimittelgesetz in Deutschland lässt den Herstellern zuviel Freiheit bei der Deklaration der Inhaltsstoffe. Vor möglichen schweren oder sogar wahrscheinlichen Folgeschäden wird nicht ausreichend gewarnt. Nebenwirkungen sind nicht alles, was passieren kann. Inhaltsstoffe können sich im wehrlosen Nervensystem kumulieren und über lange Zeit degenerative Prozesse in Gang setzen. Viele schwere Probleme zeigen sich erst nach dem Absetzen. Da diese Wirkungen nicht eindeutig dem Substanzkonsum zugeordnet werden können, gilt zum Nachteil der Patienten die Unschuldsvermutung für das Präparat. Ich behaupte, das die Medizin fast so viele Krankheiten entstehen lässt, wie sie behandelt. Das Problem steckt im Prinzip der Medizin. Je mehr wir nach Desinfektion rufen, desto mehr resistente Keime bekommen wir. Wir nehmen ein Mittel gegen eine Krankheit ein und behandeln doch nur die Symptome. Wir nehmen Mittel gegen Schmerzen und sterilisieren männliche Föten, holen uns Magengeschwüre, Nierenversagen und unübersehbare Spätschäden.

Was bringt ein klinischer Entzug?

Leben auf Zeit unter der Käseglocke

Motto: Wir werden Dich hier lieben, bis Du es gelernt hast, Dich selbst zu lieben!

Ob man zum Entzug eine Fachklinik aufsucht oder den Entzug in seiner gewohnten Umgebung selber steuert, sollte mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Die Qualität der Klinik ist oft eine Kostenfrage, dabei sollte sich jeder Tablettenabhängige fragen, ob er die enormen Belastungen eines schnellen Entzuges, der selbstbestimmten und selbstkontrollierten Minderdosierung vorzieht. Für Alkoholiker und Drogenabhängige kann die qualifizierte Entgiftung in einer Klinik günstiger sein, da der Entzug oft viel schneller möglich ist. Auch sind die kombinierten Möglichkeiten zur Therapie in speziellen Kliniken sehr erfolgreich. Grundsätzlich kann man die Nutzung einer Fachklinik bei speziellen psychischen Problemen nur wärmstens empfehlen. Insbesondere bei Depressionen und Angststörungen kann eine qualifizierte Klinik Erstaunliches leisten.  Es ist bemerkenswert, wie hartnäckig sich viele einer Therapie widersetzen und wie begeistert die Meisten hinterher sind.

Die gängigen Vorurteile beziehen sich fälschlicherweise auf psychiatrische Kliniken für schwer Geisteskranke. In einer modernen Fachklinik arbeiten Psychiater Hand in Hand mit Psychologen und diversen Therapeuten. Das bietet die Möglichkeit, mit Hilfe des Wunsches des Patienten seine Beschwerden zu überwinden, enorme Fortschritte zu ermöglichen. Dabei geht es nicht um Gehirnwäsche und Willensbrechung, sondern um Weiterentwicklung und Nachreifung. Am Beginn steht für jeden Patienten die Angst vor der Klinik, die ganz schnell der Neugier Platz macht. Man kann enorm viel über die unbekannte Welt der eigenen Gefühle lernen. Es geht praktisch nur, um die Ebene unterhalb des Denkens. Ich habe viele Menschen kennengelernt, die sich im eigenen emotionalen Labyrinth verlaufen hatten und durch die Therapie ihren Weg heraus fanden. So unterschiedlich die individuellen Geschichten sind – und ich habe eine Menge Geschichten gehört – die Muster ähneln sich. Diese Geschichten sind allzu menschlich und normal. Es ist auch normal, das wir selbst als Laie bei den anderen das Problem klar erkennen, bei uns selbst aber keine Ahnung haben. Gerade Depressionen maskieren sich mit ungewöhnlichen Verhaltensweisen. Auf die Frage eines Studenten , warum er seine selbsterlebte Depression nicht erkannte, antwortete der Professor für Psychiatrie : “Weil ich depressiv war.“ In einer Depression erkennen wir, die Krankheit Depression, selbst nicht. Da scheint die Welt ernsthaft schlecht zu sein. Mit diesem Buch möchte ich jedem Depressiven sagen: Die Welt ist prima! Du selbst stehst gerade im Nebel, aber die Sonne scheint trotzdem. Nur weil Du die Sonne nicht sehen kannst, ist sie nicht weg. Werde aktiv, um deine Krankheit zu behandeln und die Sonne wieder zu sehen!

Es wird Zeit Ihnen endlich das „Du“ anzubieten, denn ab jetzt wird es persönlich.

Wenn Du Probleme hast, dann lass Hilfe zu! Du bist nicht allein.

Wann ist ein selbstbestimmter Entzug vorzuziehen?

Ein langsamer Entzug ist erheblich Erfolg versprechender, als ein schnelles Absetzen. Das körperliche Phänomen Abhängigkeit ist äußerst komplex und individuell, daher gibt es bislang keine Kausal-Therapie für Entzugserscheinungen. Zu einem Entzug gibt es grundsätzlich keine Alternative. Nur das „wie“ kann man sich aussuchen. Weil menschliches Leid grundsätzlich individuell unterschiedlich empfunden wird, muss jeder Betroffene selbst entscheiden, wie stark er sich belasten kann. Durch eine schrittweise Vorgehensweise lassen sich die Entzugssymptome auf ein akzeptables und handhabbares Mass begrenzen. Der Preis dafür ist eine lange Dauer des Entzuges. Dafür spricht, das insbesondere die schweren und nachhaltig seelisch belastenden psychischen Zustände, vermieden werden können. Das Problem liegt in der schweren Abschätzbarkeit der individuellen Auswirkungen einer Reduktion. Günstig ist eine vorsichtige und vorbereitete Herangehensweise an den Entzug. Ein erfolgreicher Entzug ist ein langsamer Entzug. Bei guter geistiger Vorbereitung und gefestigter Meinungsbildung zum Thema, lassen auch Übertreibungen der Entzugsrate mit Fassung ertragen. Bei starken Entzügen gefährden wir auch unsere menschliche Würde. Die nach strengen Entzügen wieder und wieder auftreten den Beschwerden werden „protrahiert“ für „verzögert“ oder „verlängert“ genannt. Es ist sehr schwer sich nach besseren Phasen mit wiederkehrenden Entzugssymptomen anzufreunden. Gerade wenn man die Feststellung von Verbesserung trifft, kann sich das Blatt wieder wenden, weil die positiven Gefühle, die durch den Gedanken ausgelöst werden, in ihrer Intensität ins Gegenteil ausschlagen. Das ganze Spiel des typischen Benzo-auf-und-ab ist sehr frustrierend, wenn man sich nicht immer wieder darauf vorbereitet. Das beständige Training und Anwenden von Entspannungstechniken ist das A und O des Fortschritts.

Für Angehörige und Freunde ist die Situation ebenfalls sehr belastend. Wir sollten nie vergessen, dass es Menschen gibt, denen wir sehr viel bedeuten. Wir sollten Sie nicht zu sehr mit unserem Problem belasten, dazu müssen wir die Verantwortung für unsere Situation ohne Selbstvorwürfe übernehmen. Durch ein geplantes und vernünftiges Vorgehen können wir uns und anderen viel unnötige Schmerz, Angst und Leid ersparen. Ja, es ist lang und hart, aber „auch der längste Weg fängt mit einem einzigen Schritt“ (Mao Zedong) an. Es geht immer nur um den einen Schritt, den Du jetzt tun kannst. Nur um den einen Augenblick, in dem sich Dein Leben immer abspielte und abspielen wird. Hier und jetzt wirst Du DICH immer sehr gut aushalten können, denn auch das bist DU. Stellen wir uns dem Problem, erkennen wir das wir vor einem Schatten geflüchtet sind. Unsere Furcht gibt einem Schatten Namens „ANGST“ Macht über uns, die nichts und niemand haben darf.

Während des Genesungsprozesses erlebt man sich als verändert, was die Selbstbeobachtung ungünstig erhöhen kann. Wichtig ist, sich selbst nicht zu pathologisieren, d.h. alles Veränderungen im eigenen Verhalten als krankhaft einzuschätzen. Wir sollten uns selbst großzügig einen weiten Bereich selbstbestimmten Verhaltens einräumen. In unseren Beziehungen, können wir uns Auszeiten nach Bedarf gönnen. Druck ist in jeder Hinsicht kontraproduktiv. Das mag egoistisch wirken, gehört aber zur notwendigen Selbstfürsorge. Es ist, nicht nur in einem Genesungsprozess, angebracht sich ernst, aber nicht wichtig zu nehmen. Nimm Dich ernst und sorge für Dich! Mit der Entwicklung innerer Stärke kehrt auch eine aufmerksame Zuwendung und Sorge für andere zurück.

Entzug – der Weg in die echte Freiheit

Man kann von allem loskommen, wenn man es langsam macht.

Die 10 goldenen Regeln des Entzuges

1. Willensbildung zum Entzug – übe Dich in Geduld!

2. Erlernen von Ablenkungs- und Entspannungstechniken

3. Wochenstundenplan mit Tagesstruktur

4. Einstimmung der Umgebung, um Rückzugsmöglichkeiten zu schaffen

5. Bei Benzodiazepinabhängigkeit: Eventueller Wechsel der halben Dosis auf Valium zur besseren Dosierbarkeit. Bei Drogen: Mögliche Ersatzdroge ohne Rauschcharakter / Klinik

5. 3 Wochen genaue Kontrolle bezüglich Dosis und Einnahmezeitpunkt

6. 3 Wochen geringe (5-10%) Testreduktion mit Protokoll der Beschwerden

7. Festlegung der Höhe der Reduktion (5-10% der Einnahmemenge) nach Bewertung der Beschwerden

8. Konsequente Fortsetzung bis zur letzten Reduktion

9. Bei zu starken Beschwerden: 4 -12(!) Wochen bis zur nächsten Reduktion und kleinere Schritte. Bei zu großem Reduktionsschritt mit extremen Beschwerden: Rückschritt nur bis zur letzten Dosierung und 4-12 Wochen Erholung mit dieser Dosierung.

10. Zuversicht ist der erste Schritt des Erfolges. Egal was passiert – bleib dabei Dein Programm zu verfolgen.

Die hier beschriebene Methode setzt voraus, dass Du im Entzug und durch die Stoffeinnahme keinen Kontrollverlust, Psychose oder Rausch erfährst. Da bei den stark bewusstseinsverändernden Stoffen wie Drogen oder Alkohol, ein Kontrollverlust auftritt, wird es in diesen Fällen deutlich schwieriger den Entzug selbstbestimmt zu gestalten. Bei Alkohol oder Drogen kann ein klinischer Entzug sehr vorteilhaft sein. Trotzdem sind die hier beschriebenen Techniken und Vorbereitungen sehr günstig, um den Entzug in einer Klinik erfolgreich zu ergänzen. Die Prinzipien des Stufenplanes gelten in jedem stofflichen Entzug. Ich möchte behaupten, dass auch für nicht stoffliche Entzüge eine stufenweise Vorgehensweise sinnvoll ist, da hier eben körpereigene Stoffe die Abhängigkeit unmittelbar bedingen.

Beispiele stoffgebundener Süchte:

Esssucht zu Fetten und Zucker

Rauchen zu Nikotin

Koffein

Codein

Opiate

Alkoholsucht

Drogen

 

Falls du Beruhigungsmittel oder Schlaftabletten nimmst, ist diese Kapitel unbedingt zu beachten! Jeder Stoff mit Wirkung auf die individuelle Psyche sollte niemals abrupt abgesetzt werden. Sogenanntes Ausschleichen ist wichtig, um nicht unnötig die Psyche mit Beschwerden zu belasten. Wenn der Körper mit einer Reduktion eines psychisch wirkenden Stoffes konfrontiert ist, so benötigt er eine gewisse Zeit, um sich daran anzupassen. Diese Zeit ist vom Menschen und vom Stoff abhängig. Es gibt Leute die haben keinerlei Absetzprobleme und andere sehr starke. Für die Menschen mit ausgeprägten Beschwerden muss ein langsames Absetzen in Kauf genommen werden, weil nur dies zum dauerhaften Erfolg führt. Es geht darum zu prüfen, wie stark der Körper auf eine kleine Reduktion reagiert. Gerade am Anfang sollte eine Reduktion vorsichtig und unter langfristiger Beobachtung von mindestens 3 Wochen vorgenommen werden. Damit können die Art der Symptome und die Dosisreduktion geprüft werden. Alle weiteren Reduktionsschritte werden sich prozentual an diesen Erkenntnissen orientieren können.

Es gibt für Ärzte nicht viel Auswahl bei psychischen Problemen. Alle Medikamente sind Notlösungen im Vergleich zu Therapien, die auf natürlichen Behandlungsformen aufbauen. Manchmal lässt sich der Einsatz von Stoffen nicht vermeiden. Immer sollte ein Arzt über die Einsatz von Medikamenten und ihre Dosierung entscheiden.